Zensur in Oldenburg

Offener Brief an den Oberbürgermeister Jürgen Krogmann: Sehr geehrter Herr Krogmann,
ich schreibe diesen offenen Brief an Sie, weil Sie sich, bezogen auf die massive Störung der von mir angemeldeten und organisierten Bündnis­ver­anstalt­ung am 19.01.2019 im PFL mit dem Titel "Die Kurden - ein Volk zwischen Unterdrückung und Rebellion" , als unwissend dargestellt haben. Es war aber eine städtische Bedienstete auf Anweisung der Stadt vor Ort, die sich von Anfang an in der Nähe des Geschehens befand. Diese Bedienstete hat mich als Vertreter der Veranstalter ausdrücklich ermutigt, vom Hausrecht Gebrauch zu machen, nachdem das Vorstandsmitglied der DIG Oldenburg immer aggressiver wurde.

Ich gehe deshalb davon aus, dass Sie sehr wohl von diesem Vorfall Kenntnis hatten.Dass sie zu gewaltförmigen Angriffen auf Veranstaltungen und Gäste dieser Veranstaltungen in städtischen Räumen nicht Stellung beziehen, ist zumindest fragwürdig. Hätten Sie sich genauso verhalten, wenn es ähnliche Vorfälle im Zusammenhang einer proisraelischen Veranstaltung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gegeben und sich diese bei Ihnen beschwert hätte? Sie scheinen es auch kritiklos hinzunehmen, dass Dr. Thörner unsere berechtigte Beschwerde über den Vorfall als Diffamierung der DIG wertet (dieser Brief ging auch an Sie). Ich frage mich, warum Sie sich öffentlich in der Angelegenheit als ahnungslos präsentieren, obwohl Ihnen alles zum Vorfall bekannt sein dürfte. Wird es eine Antwort dazu von Ihnen geben?

Anstelle dessen versuchen Sie, unbeeindruckt von der undemokratischen Praxis der DIG und ihrer Verbündeten aus dem "antideutschen" Segment der hiesigen autonomen Szene, einen Stradtratsbeschluss herbeizuführen, der diese Praxis stützt und damit aufwertet. In letzter Konsequenz kann das dazu führen, dass in städtischen Räumen keine Veranstaltungen mehr durchgeführt werden können, die von der DIG auf der Grundlage einer politisch willkürlich erweiterten und entsprechend umstrittenen Antisemitismusdefition als antisemitisch eingestuft werden. Diese offensichtlich auch von Ihnen übernommene Definition wird - wie Sie sicherlich wissen - auch von vielen Jüdinnen/Juden und Israelis zurückgewiesen.

Dort, wo es solche Stadtratbeschlüsse wie den von Ihnen angestrebten schon gibt, werden nicht nur Veranstaltungen mit BDS-Ausrichtung verhindert, sondern sogar Veranstaltungen mit jüdischen und israelischen Referent_innen, die sich kritisch mit nahostbezogenen Themen auseinandersetzen. Für Oldenburg würde das bedeuten, dass im Rückblick die beiden Veranstaltungen mit Kerem Schamberger zum Themenkomplex Kurd_innen, Türkei, Syrien und die Veranstaltung mit dem ehemaligen Vorstandsmitglied des Jüdischen Zentralrates der Juden in Deutschland, Rolf Verleger, gegen die die DIG OL bei der Stadt interveniert und in der Öffentlichkeit diffamierend Stimmung gemacht hatte, im PFL wahrscheinlich nicht hätten stattfinden können.  

Wird es z.B. noch möglich sein, den angesehenen israelischen Wissenschaftler Moshe Zuckermann im PFL zu hören, der im Mai nach Oldenburg kommen wird? Oder muss man dann nach einer privaten Räumlichkeit suchen, deren Betreiber dann - wie schon gehabt - von einem Vorstandsmitglied der DIG OL mit Boykottdrohungen telefonisch unter Druck gesetzt wird, einer solchen Veranstaltung die Raumnutzung zu versagen? Solche von Intoleranz und anmaßender Zensur beeinflusste politische Unkultur sollte von Ihnen als Oberbürgermeister einer bunten vielfältigen Stadt nicht erwünscht sein, und es ist zu hoffen, dass Sie eine solche schon stattfindende Fehlentwicklung nicht noch durch die Unterstützung undurchdachter Beschlüsse und Maßnahmen begünstigen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die Deutsch-Israelische Gesellschaft, Abteilung Oldenburg, und ihre Verbündeten nicht erst seit heute Gruppen in Oldenburg als BDS-Unterstützer bezeichnen (z.B. das Oldenburger Friedensbündnis, das Oldenburger Fluchtmuseum, die Attac Regionalgruppe Oldenburg und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg), obwohl diese noch nie diese Kampagne politisch unterstützt haben, sondern lediglich deren Kritik an der Besatzungs- und Siedlungspolitik Israels teilen und das Recht der BDS-Aktiven auf Meinungs- und Informationsfreiheit verteidigen. Das aber reicht dieser Gesellschaft und ihren Verbündeten schon, Personen und Gruppen als Antisemiten zu diffamieren und zu fordern, diesen Personen und Gruppen die Mitwirkung am demokratischen Meinungsbildungsprozess in städtischen Räumen zu verweigern. So könnte es zu der geschichtsvergessenen Situation kommen, dass der deutsche Herr Thörner unter Mitwirkung der Stadt Oldenburg dafür sorgt, dass Israelis und Jüdinnen/Juden nicht im PFL auftreten dürfen. Wollen Sie das? Wäre das nicht eine Unterstützung einer anderen Art von Antisemitismus?

Ich bitte sie eindringlich: Überdenken Sie Ihre Position! Treten Sie für Informations- und Meinungsfreiheit ein, wehren Sie den Anfängen, den demokratischen Meinungsbildungsprozess im Interesse einer kleinen Lobbygruppe in Oldenburg mit städtischer Unterstützung zu behindern und hören Sie auf die vielen israelischen Wissenschaftler_innen, die eindringlich davor warnen, Antizionismus und Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichzusetzen!


Mit freundlichen Grüßen

Johannes Petrich   
Oldenburg, 11.03.2019

Hinweis der Redaktion: Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
Offener Brief: Der Einsatz für Menschenrechte ist nicht antisemitisch
unter: www.juedische-stimme.de