Leserbrief zum Kommentar des stv. Chefredakteurs der NWZ  Ulrich Schönborn, der am 23.07. zu den Parlamentswahlen in der Ukraine Stellung nahm:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte Sie - meinen folgenden Leserbrief im Leserforum der Nordwest-Zeitung zu veröffentlichen:

Mit dem Kommentar zu den Wahlen in der Ukraine würdigt Ulrich Schönborn anerkennend den überraschenden wie deutlichen Sieg des Präsidenten Selensky.

Festzustellen ist: Mit seiner  Partei verfügt Selensky über die absolute Mehrheit im ukrainischen Parlament. Und mit dieser politischen "Hausmacht" kann er damit beginnen, der in der Ukraine bestehenden Oligarchenmacht, der herrschenden Korruption sowie auch einer "westlich orientierten" antirussischen  Haltung  zu begegnen, um  diese realen ukrainischen Gegebenheiten  zu überwinden.

Nach eigenem Bekunden  gilt sein primäres Interesse, den festgefahrenen Friedensprozess in der umkämpften Ostukraine wieder in Gang zu bringen, letztlich den Krieg im Donbass zu beenden. Dies dürfte  jedoch ohne politische Zugeständnisse gegenüber den beiden abtrünnigen Volksrepubliken und ohne konkretes  Eingehen auf wirtschaftliche und (geo)politische Interessen der Russländischen Föderation ((RF) keine leicht lösbare  Aufgabe sein.

Der Vorgänger Selenskys - Präsident Poroschenko - hat während seiner Regierungzeit  das  Februar 2015  mit ihm verhandelte  - u.a. unter europäischer Vermittlung von Angela Merkel, Francois Holllande sowie durch  Wladimir Putin - zustande gekommene MInsk Zwei-Abkommen-  nicht umgesetzt, obschon das Minsker Abkommen gerade durch den UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution 2202 international Anerkenung fand.

Das Minsker Papier könnte nach wie vor ein Leitfaden für eine mögliche Lösung der ukrainischen Krise sein. Gleich zu Anfang geht es um die Herstellung eines Waffenstillstands, dem eine Entmilitarisierung folgen soll. Weiterhin verpflichtet sich  Kiew zu einer Verfassungsreform, die eine Föderalisierung und Dezentralisierung des Landes zum Ziel hat, und zwar "unter Berücksichtigung der Besonderheiten der gesonderten Kreise der Gebiete  Donezk und Luhansk, die mit Vertretern dieser Kreise abgestimmt ist." Grundsätzlich wären  damit innerhalb der ukrainischen Staatlichkeit die Grundlagen für die Autonomie der umkämpften ukrainischen Region gegebenen. "pacta servanda sunt" schien jedoch für die Regierung Poroschenko  bezüglich des MInsk Zwei -Abkommens  nicht zu gelten.

Alle politischen Anstrengungen zur Lösung des Ukrainekonflikts werden bis heute überschattet von dem Washingtoner sowie Brüsseler Sanktionsregime, das unnachgiebig  gegen die RF gerichtet ist. Die us-amerikanischen wie die EU-Sanktionen beeinflussen in negativer Weise dringend notwendige Gespräche und Verhandlungen zur Lösung der Ukraine-Krise  Absolut unverständlich ist insoweit, dass Bundeskanzlerin Merkel  als maßgeblich Beteiligte am Zustandekommen des Minsk Zwei-Abkommens  bei ihrem kürzlichen Treffen gegenüber Präsident Selensky  betonte, dass die Sanktionspolitik gegen Russland solange weitergehen müsse, bis die Krim zur Ukraine zurückgekehrt sei.


Mit freundlichen Grüßen

Ulfert Kaufmann